Posted by on 12. September 2019

Head Shaking.

Ein viel disuktiertes Thema

Vielleicht deshalb, weil es unter den Wissenschaftlern und Tierärzten, die sich mit Head Shaking beschäftigen noch keine eindeutige Diagnose gibt. Von Herpes bis Zahnprobleme reichen die Verdachtsdiagnosen. Genauso vielschichtig wie die Verdachtsdiagnosen, genauso bizarr oft die Untersuchungsmethoden und Lösungsvorschläge.

Meiner Meinung nach gibt es für die Untersuchung von Patienten, das gilt für die Humanmedizin, wie die Tiermedizin ein paar wenige generelle Direktiven:

    1. Augen und Ohren auf, alle anderen Sinne auch und vor allem das Hirn einschalten, bevor ich ein technisches Diagnosegerät einschalte.

    2. Die Kirche im Dorf lassen und mit der wahrscheinlichsten Diagnose anfangen. Seltene Krankheiten sind zwar möglich und sicher sehr prestigeträchtig, aber eben genau das: selten.

    3. Mal über den Tellerrand hinausschauen, das gilt vor allem für uns Veterinäre. Vieles von dem wir denken, dass es vollkommen neu ist und einen immensen Forschungsaufwand rechtfertigt (der im übrigen häufig zu Lasten der Patienten oder Versuchstiere geht) gibt es schon in der Humanmedizin. Wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, mal dort nachzulesen.

Apropos mal bei den Humankollegen nachlesen

Vielleicht sollten wir uns zu allererst darüber im Klaren sein, dass Head Shaking keine Krankheit ist. Es ist ein Symptom und noch dazu ein sehr vages. Ein Kopfschütteln kann bei einem Pferd so vieles bedeuten.
Auf der Weide wenn es tobt drückt es damit sicher Übermut aus. Oder es schüttelt den Kopf um Fliegen abzuwehren.
Unter dem Reiter kann es eine harte Hand bedeuten, oder einen unpassenden Sattel, oder Schmerzen im Rücken.

Genau wie übrigens Schweifschlagen. Warum machen wir eigentlich keine Krankheit aus Schweifschlagen?? Das Pferd äußert damit mindestens so viel Schmerz oder Unwohlsein wie mit dem Kopfschlagen. Nur stört uns das Schweifschlagen nicht so wenn wir unbedingt Reiten wollen.

Zurück zum Head Shaking.

Head Shaking

Von Head Shaking sprechen wir dann, wenn dieses Symptom permanent wird, ob mit oder ohne Reiter. Und einig wird man sich auch allmählich bezüglich der Ursache. Man nimmt eine Reizung des Nervus trigeminus an. Leider – für die Schulmediziner – konnte man bisher noch keine strukturellen Veränderungen am Nerv als Ursache für das Head Shaking finden. Gut für uns.

Bei einem Head Shaker wäre für mich als Tierarzt die Zahnuntersuchung vielleicht das erste Mittel der Wahl.
Gleich nachdem ich in die Ohren und Augen geschaut hätte.
Und eine Röntgenaufnahme des Kopfes wäre vielleicht nicht so verkehrt. Da kann ich dann auch mal ein Gerät einschalten.
Wenn ich dann nichts finde würde ich einen guten Osteopathen meines Vertrauens das ganze Pferd einmal durchbehandeln lassen.

Denn in der humanen Osteopathie findet sich ein Symptomenkomplex, der dem des Head Shakings doch sehr ähnlich ist.

Die Atlasblockade

Wenn man kann, kann man die Atlasblockade in der Computertomographie sichtbar machen. Die Humanmediziner können das.

Atlasblockade, Computertomograph, Mensch

Computertomographische Aufnahme des schräg innerhalb seiner Gelenksflächen stehenden Atlas. Die rote Linie durch beide Atlasflügel zeigt den Schrägstand, die grüne Linie beschreibt den “Normalstand” des Atlas.

Das ist jetzt also keine esoterische Diagnose, die nicht auch in bildgebenden Verfahren nachweisbar wäre.
Worüber man sich streitet sind die Auswirkungen dieser Erkrankung beim Menschen.
Hier einmal die geläufigsten Probelme beim Menschen

  • Kopfschmerzen und Migräne
  • Schwerhörigkeit, Tinnitus oder Rauschen im Innenohr
  • Schmerzen im Kiefer
  • Nackenschmerzen oder steifer Nacken
  • Brettharte Muskeln und Bewegungseinschränkung in der Schulter
  • Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Hüftschmerzen und Beckenschiefstand
  • Gleichgewichtsstörungen und Schwindel durch Funktionsstörungen im Innenohr, Übelkeit oder Konzentrationsstörungen

Klingelt da etwas? Außer das Ohr natürlich.

Wenn ich mir einmal kurz überlege, was ein Pferd mit Tinnitus, Rauschen im Ohr, Kopfschmerzen oder Gleichgewichtsstörungen mit seinem Kopf machen würde – an Stelle des Pferdes würde ich mit dem Kopf schütteln, wenn ich meine Probleme nicht vokal äußern könnte – dann glaube ich wäre mein erster Gang mit einem Headshaker zu einem Osteotherapeuten.

Wenn ich dann meine Unterlagen durchgehe und einmal nachschlage, welche osteopathischen Läsionen ich bei allen “meinen” Headshakern gefunden habe, nämlich

  • einseitige Läsion zwischen C0/C1 (Kopfgelenk)
  • Kieferblockade einseitig
  • Läsionen ab C4 bis Th1
  • Läsion des Os carpi accessorium
  • Verspannung der Schultermuskulatur
  • Läsionen des Iliosakralgelenkes (wobei man dazu erklären sollte, dass 90% aller zur osteopathischen Behandlung vorgestellten Pferde eine Problem mit dem Iliosakralgelenk haben)

dann muss ich sagen, ähneln sich die beiden Krankheitsbilder sehr.

Weitere Auswirkungen der Atlasblockade

Denn nicht nur auf das motorische System kann sich eine Läsion des Atlas auswirken. Sie auch auf das sympatische Nervensystem (N. vagus) störend einwirken.
Das führt dann zu Störungen des Gastrointestinaltraktes (gestörte Darmmotorik, Magenprobleme, veränderte Darmflora >Vitaminhaushalt, Immunsystem!!) aber auch zu Herzrhythmusstörungen und Blutdruckveränderungen.

Jetzt bitte auf keinen Fall bei jeder Kolik und jedem Problem mit dem Herzen an eine Atlasblockade denken und den Osteotherapeuten oder Chiropraktiker holen. Wie vorher erwähnt immer von der wahrscheinlichsten Diagnose zur unwahrscheinlicheren. Es gibt viele Ursachen, die wahrscheinlicher sind für eine Kolik oder eine Herzschwäche als eine Atlasblockade. Aber wenn ein Pferd wieder und wieder kolikt und man nichts anderes findet, dann kann man anfangen, an ein osteotherapeutisches Problem vornehmlich im Bereich der Lendenwirbelsäule und irgendwann danach an eine Atlasblockade zu denken.

Ich will auch nicht sagen, dass jeder Head Shaker ein osteopathischer Fall ist.

Was ich aber schon damit sagen will ist das viele Head Shaker “einfach nur” ein osteopathisches Problem haben. Ein mit etwas Zeit und Verständnis lösbares Problem.
Ohne Szinthigraphie, ohne Narkose und Brimborium wie Head-Shaker Säfte und irgendwelchen Standard-Kräutermischungen.
Versteht mich nicht falsch, ich bin ein großer Fan der Phytotherapie, und um den Reiz des Nervus trigeminus ein wenig zu dämpfen und den Schmerz zu nehmen kann man auch mit individuell zusammengestellten Kräutern arbeiten, aber das alleine ist kein Lösungsweg. Man bekämpft nur ein Symptom und nicht die Ursache.