Ich erzähle immer wieder, dass Hufbearbeitung und funktionelle Biomechanik in der Bewegung Hand in Hand gehen.
Diesmal habe ich Euch ein interessantes Beispiel aus meinen Fällen heraus gesucht, um das Ganze für Euch etwas anschaulicher zu machen.
Schön (wie man es nimmt, für das Pferd sicher nicht so schön) an diesem Beispiel ist, das die Hufe unterschiedlich stark betroffen sind und das Pferd auf der rechten Hand stärker betroffen ist, als auf der linken.
Bei der Problematik der langen Zehe/ untergeschobene Trachte handelt es sich um eine Verschiebung des dorsalen und palmaren Gleichgewichts.
Einfach erklärt kann man den Huf von der Unterseite betrachtet in eine Stützfläche (auf der das Gewicht des Pferdes ruhen kann) hinten im Bereich der Trachten und eine Hebelfläche an der Zehe (über die das Pferd mit Muskelkraft abrollen muss) aufteilen. Das Verhältnis der Flächen zueinander sollte ca. 1 : 1 sein, die breiteste Stelle des Hufes markiert von unten gesehen die Trennlinie.
Also von der Seite gesehen sollten 50% der Auflagefläche des Hufes vor und 50% hinter der breitesten Stelle liegen. Dann wäre der Huf im dorsalen und palmaren Gleichgewicht. Wohlgemerkt sprechen wir in diesem Fall hier nur von der Vordergliedmaße.
Es handelt sich bei dem Pferd um einen Andalusier, bei denen rassebedingt öfter einmal Probleme mit dem dorsalen und palmaren Hufgleichgewicht auftreten können. Sie haben meist flachere Sohlenwölbungen und wenig Sohlenhöhe, was eine Korrektur schwieriger macht.
In diesem Fall habe ich Euch die korrigierte Linie der dorsalen Hufwand eingezeichnet. Der Abschnitt des Hufes, der direkt unter dem Kronsaum beginnt, verläuft meistens auf den ersten 1-2 cm parallel zum Hufbein bevor die dorsale Hufwand in bestimmten Krankheitsfällen divergiert. Ihr könnt an diesem Abschnitt also fast immer den eigentlich gewünschten Winkel der vorderen Hufwand erkennen.
Die weiße Linie markiert die Breite des Fesselbeins.
Die gestrichelte Linie endet mit dem blauen Punkt am Kronsaum in der Mitte der Hufgelenksfläche, der grüne Punkt markiert die weiteste Stelle des Hufes am Tragrand.
Ihr könnt also sehen, dass der rechte Huf schlechter steht als der linke und das nach korrekter Korrektur das Verhältnis bei beiden Hufen ungefähr 45% zu 55% beträgt (vor Korrektur roter Stern 64% zu 36%, nach Korrektur grüner Stern).
Das ist vielleicht kein optimales Verhältnis, würde dem Pferd aber extrem weiter helfen um die folgenden Probleme zu vermeiden.
Sieht man sich die rechte und die linke Vordergliedmaße in der Vorführphase an, kann man erkennen, dass die rechte Seite nicht vollständig gestreckt wird. Das heißt das Pferd tritt nach rechts vorne kürzer als nach links vorne. Bei manchen Pferden resultieren daraus Taktfehler oder der Ansatz einer Lahmheit. Bei den meisten Pferden wird dieser Mangel jedoch durch eine längere Rückführphase der betroffenen Gliedmaße ausgeglichen, was auch nicht unproblematisch ist.
Sieht man sich die rückgeführte Gliedmaße an, seht Ihr, dass das rechte Huf-, Kron- und Fesselgelenk im letzten Moment der Stützphase in maximaler Rückbewegung deutlich stärker durchgestreckt wird als die gleichen Gelenke auf der linken Seite (Ihr könnt fast eine Konkavität in der Linie des Fessel- und Kronbeines sehen).
Daraus entstehen häufig Verletzungen im dorsalen Bereich der Huf-, Kron- und Fesselgelenke (Arthrosen).
Als erstes einmal kommt das Pferd in vollem Schwung mit einer ansatzweise gebeugten Gleidmaße auf, d. h. es kann schon einmal leichter Stolpern, als Pferde die mit gestreckten Gliedmaßen landen. Denn in der maximalen Streckung, sind sowohl Beuger als auch Strecker der jeweiligen Gelenke tonisiert, die Beugesehnen haben ihre maximale Länge und der Fesseltrageapparat ist ebenfalls ausreichend tonisiert um Last aufzunehmen.
Im Falle einer nicht vollständigen Streckung führt die abrupte Aufnahme der Körperlast mit gebeugten Zehengelenken zu einer plötzlichen Hyperextension der Zehengelenke, denn die Flexoren und der Fesseltrageapparat haben noch keinen ausreichenden Tonus um die Bewegung in ihrem Vorwärtsmoment abzufangen.
Diese Tatsachen und ein weiterer Faktor, den ich im nächsten Teil noch erklären werde, kann zu einer Überbelastung / Überdehnung der Beugesehnen und des Fesseltrageapparates führen.
Außerdem sind die gebeugten Zehengelenke nicht vollständig durch ihre Seitenbänder stabilisiert, d.h. sie sind auch seitlich in Rotation und Adduktion / Abduktion instabil und können leichter Verletzungen im Bereich der Bänder oder Gelenkkapsel davon tragen (Mikrorupturen Bänder / Kapsel > Krongelenksschale, Hufgelenksentzündung).
In nächsten Teil möchte ich Euch mehr über die muskulären Probleme erzählen, die durch die Problematik lange Zehe / eingerollte Trachte im oberen Abschnitt der Gliedmaße entstehen. Würde mich freuen, wenn ihr wieder rein schaut.