Warum Tiermedizin so teuer ist? Das ist eigentlich ganz einfach zu erklären.
Immer wieder hört man, dass Tiermedizin so teuer geworden ist, dass es sich niemand mehr leisten kann.
Warum die Gebührenordnung so hoch ist.
Vielleicht einmal zur Erklärung.
Natürlich spielen Steuern, Lohnnebenkosten, die ganzen staatlichen Regulierungsmittel wie Apothekenprüfung, Berufsgenossenschaften, Versicherungen, Tierärztekammern usw. eine Rolle, denn die wollen ja an dem, was ich als Tierarzt verdiene mitverdienen.
Andererseits muss man schon sagen, dass es auch das Anspruchsdenken der Tierbesitzer ist, das die Preise derartig in die Höhe treibt.
Nehmen wir einmal den Tierarzt von vor 30 Jahren. Der kam auf den Hof, mit seinem Auto, einer Kittelschürze, einem Stethoskop und einem Fieberthermometer.
Im Auto hatte er vielleicht noch einige Medikamente, die Nasenschlundsonde, ein paar Handzahnraspeln, Hufbearbeitungsmaterial und was man sonst noch so dringend brauchte.
Dann hat er sich das Pferd einmal rundherum angeschaut und heile gemacht. Fertig.
Lahmheitsuntersuchung bestand aus Beugeproben, wenn es mal knifflig war aus Leitungsanästhesien und der Hufzange. Sich ein Bild machen, Entscheidung treffen: kommt vom Huf, von unten oder von oben am Bein, ist vom Gelenk, von der Sehen oder ein Abszess. Fertig.
Besamung: hinten drauffassen, Ovar abtasten, Besamen oder erst morgen. Fertig.
Kolik: abhören, Sonde rein, entscheiden Verstopfung, Aufgasung oder Darmverlagerung und dann entweder vor Ort behandeln oder in die Klinik schicken. Fertig.
Früher hatten Tierärzte Augen und Erfahrung. Sie trafen Entscheidungen und trugen Verantwortung.
Heute haben Tierärzte Geräte und Vorschriften. Und drücken sich um jede Entscheidung so lange herum, bis tausend Geräte ihre Meinung bestätigen, oder keiner mehr weiß was wirklich los ist. Darum ist Tiermedizin so teuer.
Ich sehe das häufig, dass angeblich austherapierte Pferd, die man angeblich nie wieder reiten kann, nach 5.000 bis 10.000 € Kosten in der Klinik zu mir kommen.
Ich bringe einige von ihnen wieder zum Gehen und unter den Reiter, ein paar wenige auch nicht.
Mit meinen Händen. Und fast keinen Geräten. Und für ein paar hundert Euro.
Die Arbeit mit der Hand. Damit die Tiermedizin nicht so teuer wird.
Das heißt nicht, dass man auf Diagnostik verzichten kann. Und für einiges braucht man auch Geräte, wie zur Blutuntersuchung. Die ich übrigens für sehr wichtig halte.
Das ist das wirkliche Problem, dass ein Tierarzt heutzutage mit digitalem Röntgen, mit Ultraschall, mit voller Zahnausrüstung usw. herumfahren muss. Nicht weil es nötig wäre, sondern weil man den Pferdebesitzern und Tierbesitzern im Allgemeinen weiß gemacht hat, dass das nötig ist.
Und damit ist der Spaß ja nicht zu Ende. Jetzt kommen noch Szintigraphie und Lamenesslocator dazu.
Wozu bitte brauche ich als Tierarzt einen Lamenesslocator? Weil ich nicht sehe, wo das Pferd lahm geht? Peinlich.
Weil ich wissen will, wie viel Prozent das Pferd lahm geht? Schwachsinn, wozu?
Oder weil der Tierbesitzer auch sehen will, wo das Pferd lahm geht und einen Beweis haben will, wieviel es lahm geht und ob es beim nächsten Mal besser ist? Eher.
Darum ist Tiermedizin so teuer.
Und überlegen wir mal, was ein Röntgenbild, ein Ultraschall, eine Szintigraphie usw. aussagen?
Sie geben mir einen Anhaltspunkt, wo der Schaden liegt.
Was sie nicht tun ist, mir sagen, wie der Schaden entstanden ist und wie ich ihn behandeln muss. Da ist die klassische Tiermedizin leider Meilen im Rückstand.
Ein Pferd mit Fesselträgerentzündung muss ich nicht nur am Fesselträger behandeln. Kann ich, bringt Geld und der Schaden kommt sicher wieder. Bringt dann wieder Geld.
Die Wahrheit ist, ich muss den Körper des Pferdes so korrigieren, dass es seinen Fesselträger nicht mehr überbelastet.
Und ehrlich gesagt, einen Fesselträgerschaden erkennt man auch ohne Ultraschall. Den Ultraschall brauche ich für die Therapie mit PRP in der Praxis, aber nicht draußen im Stall. Und auch ich benutze Geräte, aber warum eine teure Stoßwelle, bei der ich das Pferd sedieren muss und bei dem es Schmerzen hat, wenn es ein medizinisches Ultraschall, das völlig schmerzfrei ist auch genauso gut kann?
Und warum teure Medikamente, die man Verpacken, Verschicken, Zertifizieren, Prüfen usw. muss, alles nicht besonders umweltfreundlich, wenn es in den meisten Fällen ein Kraut oder ein Extrakt , selbst vor Ort hergestellt aus heimischen Pflanzen genauso tut?
Darum ist Tiermedizin so teuer.
Und wenn ich eine Kleintierpraxis habe, dann wird beurteilt, wie komfortabel das Wartezimmer ist, ob es eine Kaffeemaschine gibt, ob Hündchen und Kätzchen ein eigenes Wartezimmer haben, wie Nobel die Anmeldung ist und ob ich es mir leisten kann, jemanden dorthin zu setzen oder ob ich es selber machen muss. Ob mein Rezept Computerausgedruckt oder handgeschrieben ist. Ob die Praxiseinrichtung vom feinsten ist, oder nicht. Ob ich ein dickes Auto auf den Parkplatz des Reitstalls chauffiere oder nicht.
Und nicht, ob das Tier danach wieder heil ist.
Ich denke mir immer, wenn jemand mit einer dicken Karre bei mir aufkreuzt, oh, der hat zu viel Geld, der ist mit Sicherheit zu teuer. Warum ist das bei Tierbesitzern anders herum? Natürlich sind Sie es und Ihr Tier, die für jeden Cent, den ich in meiner Praxis ausgebe aufkommen müssen. Wer sonst?
Wenn ich für 150.000 € Praxisgeräte habe, für 450.000 € Praxisgebäude finanzieren muss und noch für 30.000 € im Monat Personal bezahlen muss. Und dann noch Medikamente im Wert von 20.000 € im Monat hab, dann sind Sie es, die dafür bezahlen. Ist doch klar, oder? Und dann bezahlen Sie das Geld noch nicht einmal mir, sondern der Bank, die mich finanziert und der Pharmafirma, von der ich überteuerte Medikamente kaufen muss. Und die wollen beide von mir, dass ich möglichst viel verdiene und nicht, dass ich möglichst viele Tiere heile. Ist doch auch klar oder?
Und darum ist Tiermedizin so teuer.
Und darum versuche ich, da nicht mit zu machen. Damit Tiermedizin heilt und sich jeder den Tierarzt für sein Tier leisten kann. Vernünftig, Evidenzbasiert. Gründlich.
Aber eben nicht so teuer.