Haltung und Ausbildung auf Lipica
Nach meinem übrigens sehr interessanten Fortbildungsvortrag über Phytotherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien sind wir weitergefahren nach Lipica.
Stutenhaltung in Lipica
Die Stuten werden in Lipica nicht ausgebildet, weil zwischen den Fohlen einfach nicht genug Zeit für die Ausbildung bleibt. Trotzdem werden die Stuten in Lipiza maximal alle 2 Jahre belegt. Es müssen immer alle 6 Hengstlinien vertreten sein und im Jahr kommen zwischen 20 und 30 Fohlen zur Welt. Die Stutfohlen bleiben auf Lipica zur Zucht, die Hengste werden ausgebildet oder verkauft. Allerdings nicht als Fohlen. “Wir geben unseren Pferden Zeit.” Zeit und Geduld scheint hier überhaupt das Maß der Dinge zu sein und das spürt man. Über dem ganzen Gestüt liegt Ruhe und Frieden.
Die Stuten stehen friedlich auf den Paddocks, dösen oder Fressen, in den Laufställen hört man das Kauen der Pferde. Manchmal springt ein Fohlen spielend durch das Stroh, ab und zu zicken sich zwei Stuten an. Das können sie auch hier nicht lassen.
Außenpaddocks der Stutenherden im Hof. Die Stuten kommen Mitte Mai auf die Weide. Allerdings sind die Pferde nur tagsüber draußen auf den Weiden oder Paddocks, abends kommen alle 350 Pferde wieder in den Stall wegen der Bären und Wölfe. Die Leute dort kommen nämlich ganz gut demit klar, dass es in der Natur auch Raubtiere gibt. Man muss seine Tiere eben hüten.
Die Stuten werden in tragende und nicht tragend aufgeteilt. Während der Abfohlzeit kommen die Stuten mit Fohlen ein paar Tage einzeln in den Laufstall und dann in eine Herde “Stuten mit Fohlen”.
Erst mit einigen Wochen kommen die Stuten mit Fohlen mit den anderen Stuten wieder zusammen und dann auf die Weiden.
Übrigens sind alle Pferde in einem hervorragenden Pflegezustand, auch was die Hufpflege der Stuten angeht.
Ich hatte große Glück und konnte mich dort über die Haltungsbedingungen und die Ausbildung der Hengste informieren.
Und ich muss sagen, dass ich die Art, wie Pferde bei uns für den Leistungssport ausgebildet werden immer mehr in Frage stellen muss.
Erster Kontakt der Hengste mit den Ausbildern
Die Angestellten erzählten, dass die Junghengste erst mit 4 Jahren von den Weiden kommen und überhaupt mit einer Ausbildung anfangen. Allerdings erst nachdem man die Pferde ausgesondert hat, die aufgrund ihrer anatomischen Gegebenheiten nicht für eine reiterliche Laufbahn in Lipica geeignet sind.
Schulstall in Lipica
Diese Junghengste werden dann verkauft.
Und Ausbildung bedeutet übrigens erst einmal, dass sie Kontakt zum Menschen bekommen.
Lipica hat vor einigen Jahren damit begonnen, die Junghengste erst einmal einem Umgangstraining zu unterziehen. Seit dem haben die Bereiter es viel leichter mit den Hengsten in der reiterlichen Ausbildung. Dabei geschieht dort nichts mit Zwang, sondern alles erst einmal frei und oftmals ohne Zaum. Erst wenn dieser erste Ausbilder mit dem Verhalten der Pferde zum Menschen zufrieden ist, gehen die Hengste den nächsten Ausbildungsschritt.
Reitergewöhnung
Sie kommen an die Longe. Und man höre und staune, egal was ihr auf den Bilden in den Büchern steht: Ohne Ausbinder, frei am Kappzaum und später am Trensenring. In Lipica werden für junge Pferde keine Hilfszügel wie Ausbinder oder Dreieckszügel, geschweige denn Schlaufzügel benutzt. Nie!
Es geht um Takt und nur um Takt und das daraus resultierende Gleichgewicht in allen drei Grundgangarten. Die Ausbilder legten immer wieder Wert darauf zu betonen, dass alles in der Ausbildung spielerisch ablaufen soll. Das Pferd soll Spaß an seiner Arbeit bekommen.
Die Fünfjährigen kommen dann unter den Sattel.
Und dann machen sie ein volles Jahr nichts anderes als zu lernen, den Reiter zu tragen. Auf meine Frage, was die Hengste mit sechs Jahren können sagte man mir: den Reiter ausbalancieren in allen drei Grundgangarten auf der ganzen Bahn, auf dem Zirkel und in Achtertouren durch die ganze Bahn.
Zufriedenes Gesicht. Hengst in der Grundausbildung in Lipica.
Was müssen sechsjährige Pferde bei uns leisten?
Sie werden durch L und M Prüfungen in Dressur und Springen gescheucht ohne Rücksicht auf Wachstum, Balance und ihre Entwicklung. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass unsere Sportpferde eine ganz andere Konstitution haben.
Da gebe ich Euch recht.
Eine viel fragilere und anfälligere nämlich als die Lipizzaner. Der Lipizzaner ist kompakter und kleiner und wird sich also deutlich leichter damit tun, seinen Reiter und sich selbst auszubalancieren. Er ist auch deutlich stärker bemuskelt, was natürlich auch an seiner schonenderen und besseren Ausbildung liegt.
Einige meiner Kunden stellen mir bereits 6 jährige Pferde vor, bei denen mehrere Tierärzte davor den Rat zum Einschläfern gegeben haben, so aussichtslos schien eine Heilung.
Wenn man sieht, das bei uns die Pferde immer noch nur ein Durchschnittsalter von 10-11 Jahren haben und man kaum Turnierpferde mit einem Alter von mehr als 13 Jahren im großen Sport sieht, dann frage ich mich, warum wir nicht endlich die Augen aufmachen. Da stimmt doch etwas nicht mit unseren Trainingsmethoden.
Grundausbildung in Lipica
Mit sechs Jahren beginnen die Hengste mit der Grundausbildung. Sie lernen Schenkelweichen, Seitengänge, Tempiwechsel und die Schule auf der Erde. 2 Jahre lang. Während jedes Schuljahres werden die Hengste die keinen Spaß an der Ausbildung haben und nicht weiter kommen ausgesondert und verkauft.
Die Schule über der Erde
Mit 8 Jahren beginnen die Hengste, die anatomisch und psychisch dazu in der Lage sind mit der Schule über der Erde. Mit 11 Jahren sind sie fertig ausgebildet. Immer noch werden jedes Schuljahr die Hengste aus der Ausbildung genommen, die nicht mitkommen in der Schule.
Stall der Showpferde in Lipica. Die Boxen sind übrigens 20 m² groß, um ihnen mehr Bewegungsradius zu geben. Denn die Hengst kommen draußen nur noch auf Paddocks. Allerdings immer mehrere nebeneinander, damit sie nicht alleine draußen stehen.
Die ausgebildeten Hengste in Lipica gehen übrigens bis mindestens 20 Jahre in die Vorführungen.
Die Trainer haben aber betont, dass sie auch einige Hengste haben, die älter als 20 sind und immer noch bei den Vorführungen mitwirken.
Rente
Wenn die Hengste dann älter sind und nicht mehr geritten werden, vermittelt man sie in Lipica zu einem symbolischen Preis an ausgewählte Halter, wo sie einen gesunden und schönen Lebensabend genießen können. Ich kann und will immer gar nicht daran denken, was mit den meisten unserer Sportpferde geschieht, wenn sie nicht mehr können.
Zu guter letzt habe ich aber auch noch ein paar schöne Gedanken an Euch. Es war gerade Abfohlzeit in Lipica und ich habe ein paar wirklich süße Fohlenbilder.
