Posted by on 19. Mai 2017

Die Osteopathie ist eine manuelle Therapie. Der Therapeut erfühlt durch Bewegung des jeweiligen Gelenkes eventuelle Einschränkungen in der Beweglichkeit, die Ausweichbewegungen und später Schmerz und Lahmheit verursachen. Der Vorteil dieser Therapie ist, dass bereits kleinste Abweichungen von der Bewegungsnorm erkannt und behandelt werden können, noch bevor eine Lahmheit oder ein struktureller Schaden entstanden ist. Das bedeutet, dass der Reiter wahrscheinlich, außer vielleicht einer kleinen Widersetzlichkeit, einer minimalen Taktunreinheit oder einer kaum merklichen Verweigerung in einer Lektion, noch nichts bemerkt. Insbesondere gute Reiter sind dann immer noch in der Lage, über ein derartiges Problem hinweg zu reiten.

Die Frage ist, ist das sinnvoll oder erstrebenswert?

Eher nicht. Um die verlangte Bewegung weiterhin ausführen zu können belastet das Pferd nun andere Strukturen, die den veränderten Druckverhältnissen nicht angepasst sind.

Ein Beispiel: Blockade des Os carpi accessorius (Erbsbein). Kleiner Knochen große Wirkung.

Das Os carpi accessorius ist Ansatzpunkt der beiden Beuger des Karpalgelenkes. Es begrenzt die Sehnenscheide der oberflächlichen und tiefen Beugesehne (Karpalbeugesehnenscheide) und dient als deren Führung in Beugung und Streckung. Es verändert den Druck auf die Sesambeinen, deren Bänder und dem gesamten Fesseltrageapparat. Bei Beugung des Karpalgelenks gleitet es nach innen und begrenzt so die Beugung des Gelenks zum Schutz des Ellenbogens durch einen Schlag mit dem Huf und zur Schonung der Beugesehnen. Viel wichtiger ist jedoch seine Wirkung beim Auffußen. In dieser Phase erfahren die oberflächliche und tiefe Beugesehne, die über die Unterseite des Fesselgelenks laufen, die stärkste Belastung, die über den Fesselträger, die Gleichbeine und die Sehnenscheide abgefangen und vermindert werden soll.

Bewegt sich das Os carpi accessorius in dieser Phase nicht nach vollständig außen, sieht man bei vielen Patienten schon bei der Begutachtung im Stand eine vermehrte Beugung oder sogar eine bereits einsetzende vermehrte Füllung im Krongelenk. Inwieseit eine vermehrte Beugung im Hufgelenk besteht, könnte nur röntgenologisch nachgewiesen werden. Kombinatorisch zeigt sich häufig eine Läsion des lateralen Sesambeines in Gleiten nach dorsal und eine Läsion des Schultergelenks.
Was bedeutet das?
Die Einengung des Karpaltunnels in Extension schränkt durch Kompression sowohl die Durchblutung (A. mediana) als auch der nervalen Versorgung (N.medianus) der distalen Vordergliedmaße ein. Davon betroffen ist vor allem der mittlere Teil der Beugesehne, der nicht über Sehnenscheiden ernährt werden kann, als auch eventuell das Hufbein und das Strahlbein.
Zusätzlich führt der höhrer Spannung der Beugesehnen zu erhöhtem Druck auf die Gleichbeine und das Strahlbein.
Außerdem stellt die vermehrte Beugung in Kron- und Hufgelenk eine höhere Belastung der vorderen Kapsel der beiden Gelenke dar, was zu Kron- und Hufgelenksschale führen kann.
Letztendlich führt diese übermäßige Beugung zu einer vermehrten Belastung des Hufbeines im vorderen Bereich und damit zu Störungen der Durchblutung, was Fühligkeit und im schlimmsten Fall Hufrehe bedeutet.

Und diese Läsion ist auf keinem Röntgengerät sichtbar.

Also macht es Sinn, die osteopathische Behandlung nicht nur als Therapieform bei bereits offensichtlichen Problemen einzuleiten, sondern sie als regelmäßige Vorsorgeuntersuchung und Behandlung zu sehen. Bevor der Reiter etwas bemerkt. Bevor das Pferd lahmt. Denn als Fluchttier ist das Pferd von seiner Beweglicheit und Schnelligkeit abhängig. Es wird also so lange wie möglich versuchen, Probleme zu überspielen und durch andere, vielleicht nicht geeignete Strukturen auszugleichen.

Zu guter Letzt wirkt sich eine Bewegungseinschränkung auch noch auf das Verhalten des Pferdes aus. Ein Pferd, das aufgrund einer Blockade und des daraus entstehenden Schmerzes nicht der Situation entsprechend reagieren kann, steht unter vermehrte psychischer Spannung, ist schreckhaft oder gar reizbar. Das heißt, machmal ist ein Verhaltensproblem tatsächlich ausgelöst durch Schmerz oder eine körperliche Einschränkung.

 

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